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Mit Professor Walter Minder ist in Bern ein Mann zu Grabe getragen worden. der wie kaum ein zweiter in diesem Lande mit dem Themenkreis Radioaktivität / Atomenergie / Strahlenschutz verbunden war und hier seit 60 Jahren an vorderster Front gearbeitet und gekämpft hat. Als Bauernsohn im Seeland geboren, hat er sein Studium an der ETH und an der Universität Bern absolviert und 1930 bei Prof. Hugi mit einer mineralogischen Dissertation doktoriert. Sehr früh wandte er sich dann dem in jener Zeit noch unvollkommen bekannten Gebiet der natürlichen Zerfallsreihen der verschiedenen Uran- und Thoriumisotope zu. 1938 führte er eine Berechnung und Darstellung des Protonen/Neutronen-Verhältnissess in den verschiedenen Zerfallsreihen durch und sagte Existenz und Entstehungsweise der damals noch unbekannten Elemente Nr. 87 und 85 voraus. Beide Elemente wurden in der Folge entdeckt und mit den Namen Francium und Astatinum belegt. Durch einen längeren Aufenthalt am Institut für Strahlenforschung an der Universität Berlin im Jahre 1936 kam er mit vielen der damals führenden deutschen Atomphysiker (Bethe, Flügge, von Weizsäcker u.a.) in persönlichen Kontakt. In Bern hatte er schon 1931 die Leitung des Radiuminstitutes am Inselspital übernommen. 1938 wurde er zum physikalischen Assistenten des Röntgeninstitutes unter Prof. A. Liechti ernannt. Damit kam er mehr und mehr in die medizinische Anwendung von Radioisotopen und Röntgenstrahlen hinein. 1941 hat er mit der Arbeit "Physikalische Grundlagen der medizinischen Radiologie" habilitiert. Später erschienen die Bücher "Röntgenphysik" und "Strahlenchemie". Im Laufe der Jahrzehnte hat er in seinem Institut Hunderte von sogenannten Moulagen für die therapeutische Anwendung von Radium (Element der Wahl, bevor die Nuklearindustire geeignetere Isotope zur Verfügung stellte) vorab in der Gynäkologie hergestellt und dabei selber Strahlendosen empfangen, die die heute für beruflich exponiertes Personal zugelassenen Dosen wohl um ein Vielfaches überschritten. In diesem Zusammenhang hat er auch grundlegende Arbeiten über die Dosimetrie ionisierender Strahlen verfasst. Als Dozent an der Universität Bern hielt er über den Themenbereich medizinische Strahlenphysik Vorlesungen von hohem wissenschaftlichem Niveau. Als 1958 beim damaligen Eidgenössischen Gesundheitsamt eine neue Sektion gegründet wurde mit der Hauptaufgabe, den gesetzlichen Strahlenschutz aufzubauen und zu organisieren, war er von Anfang an ein Hauptexperte, und in den letzten sechs Jahren seiner beruflichen Tätigkeit (1964-70) hat er die Sektion für Strahlenschutz hauptamtlich geleitet. Eine zentrale Rolle spielte im Leben und Erleben Minder auch die Atomenergie. Er gehörte zu jener Generation von Physikern, welche den Eintritt des Menschen ins Atomzeitalter als das Überschreiten einer epochalen Schwelle hautnah miterlebten und davon erschüttert waren. 1939 hatte Otto Hahn die Entdeckung der Atomkernspaltung publiziert -Kettenreaktion und Atombombe tauchten als ferne Möglichkeiten in den Köpfen der Physiker auf. In seinem Buch "Geschichte der Radioaktivität" (Springer 1981) beschreibt Minder, wie die britische Gesandtschaft in Bern 1942 mit Hilfe einer attraktiven Physikerin bei ihm ausfindig zu machen versuchte, wo sich die deutschen Atomphysiker befänden und was sie wohl trieben (in Amerika arbeitete man damals unter grösster Geheimhaltung an der Herstellung der ersten Atombombe). Minder hätte auf britische Kosten und gegen hohe Belohnung nach Berlin fahren sollen, um dies zu eruieren, lehnte aber ab. An seinem 40. Geburtstag, am 6. August 1945, fiel die Bombe auf Hiroshima. Als sich um 1960 in der Schweiz Bundesrat und Generalität ernsthaft um die Beschaffung von Atomwaffen für unsere Armee bemühten, hat er - gemeinsam mit dem Verfasser dieses Nachrufes - an vorderster Front gegen diese Bestrebungen gekämpft und sich für die beiden Anti-Atomwaffen-Initiativen 1962 und 1963 eingesetzt. Beide Initiativen wurden zwar verworfen, aber die spätere weltpolitische Entwicklung hat den Initianten von damals recht gegeben. Ebenso klar war auf der anderen Seite Walter Minders Haltung zur friedlichen Verwendung der Atomenergie. Er hielt sie mit ihren überragenden Möglichkeiten angesichts der heutigen energiewirtschaftlichen Situation und der weltweiten Umweltproblematik (CO2!) für unabdingbar, aber eben auch - unter Aufbietung aller menschenmöglichen Sicherheitsmassnahmen - für beherrschbar und verantwortbar. Auf dem Gebiete des Strahlenschutzes sind - nicht zuletzt auch dank Prof. Minders Bemühungen - die nötigen Jalons dafür gesetzt worden. Gerhart Wagner Quelle (Text): erstmals abgedruckt im
"Bund" vom 14. April 1992; nachgedruckt mit freundlicher
Genehmigung des Verfassers im SGSMP-Bulletin vom Juli 1992. |
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